Info zu Ausgabe 3 (Edition 3:2014)
Von 2008 bis 2014 arbeitete das zuständige IEC Komitee an der neuen Ausgabe der internationalen Lasersicherheits-Norm IEC 60825-1, wobei Dr. Schulmeister als Project Leader die Bemühungen der IEC Expertengruppe koordinierte. Im Jahr 2017 wurden zwei ergänzende „Interpretation Sheets“ zur Norm veröffentlicht, um die Anwendung der neuen Regeln auf komplexe Quellen zu klären. Auf europäischer Ebene gilt seit 2021 die Änderung Amendment A11:2021. Ende 2021 wurde das A11 unter der Niederspannungs-Richtlinie gelistet. Die Übergangszeit, in der die Ausgabe 3 (Edition 3.0) der EN 60825-1:2014 ohne Amendment noch den Status einer harmonisierten Norm unter der Niederspannungsrichtlinie behält endet per Juni 2023. In den folgenden Abschnitten werden die Änderungen der Ausgabe 3 der IEC 60825-1 im Vergleich zur Ausgabe 2 diskutiert. Für eine Diskussion zum Amendment A11:2021 siehe unser White Paper.
Die Edition 3.0 der IEC 60825-1 wurde im Mai 2014 veröffentlicht. Die neue Ausgabe setzt die 2013 veröffentlichten neuen ICNIRP laser exposure limits um, wodurch für gepulste Quellen, und vor allem gepulste ausgedehnte Quellen die GZS für Klasse 1, 2 und 3R teilweise deutlich erhöht wurden. Die Änderungen der Edition 3 sind in unserem „White Paper“ im Download-Bereich zusammengefasst. Die Edition 2.0 (2007) wurde auf IEC Ebene gleichzeitig zurückgezogen, wird aber in manchen Ländern (z.B. den USA) noch weiterhin verwendet.
Die Veröffentlichung als EN 60825-1 (identer Text mit IEC 60825-1) erfolgte als erstes durch das britische Standards Institute als BS EN 60825-1 im August 2014. Die Veröffentlichung in deutscher Version fand dann im August 2015 als DIN EN 60825-1:2015 in Deutschland und OVE/ÖNORM EN60825-1:2015 in Österreich statt. Die Norm EN 60825-1 Ausgabe 3.0 ist seit April 2015 im OJ der EU als harmonisierte Norm unter der Niederspannungsrichtlinie gelistet.Im Jahr 2021 erfolgte die Veröffentlichung einer Änderung A11 für die EN 60825-1. Unser Dr. Karl Schulmeister war für diese Änderung der Projektleiter. Die Änderung A11 betrifft nur die Europäische Version und nicht die IEC Version. Detailierte Hintergrundinformationen finden sich in unserem White Paper zum A11, welches im Download Bereich zur Verfügung steht.
Die Experten unserer akkreditierten Prüfstelle haben die neuen Messverfahren 2014 validiert und bieten Prüfungen nach IEC 60825-1 Edition 3.0 (auch im IECEE CB-Scheme - das Test Report Form wurde von unserer Gruppe erarbeitet) sowie nach EN 60825-1:2014+A11:2021 an.
Änderungen der Emissions-Grenzwerte für Klasse 1, 2 und 3R
Siehe auch unser White Paper im Download-Bereich bzw. die ILSC proceeding papers bezüglich ausgedehnte Quellen und gepulste Quellen.
Die Überarbeitung der Lasernorm berücksichtigt die neuen ICNIRP Expositionsgrenzwerte, die im August 2013 veröffentlicht wurden (siehe www.icnirp.org). Die Änderungen der ICNIRP Exposure Limits wurden, wie bisher auch, direkt für die Emissions-Grenzwerte (Grenzwerte für die zugängliche Strahlung, GZS) für die Klasse 1, 2 und 3R übernommen. Karl Schulmeister war in der Hauptphase der ICNIRP Überarbeitung Mitglied der Main Commission der ICNIRP und ist der Liaison Officer zwischen IEC und ICNIRP. Der neue pulsdauerabhängige Parameter alpha-max, sowie ein Teil der neuen Regeln für multiple Pulse beruhen auf den wissenschaftlichen Arbeiten der Seibersdorfer Laser, LED und Lampen-Sicherheit Gruppe siehe Download-Bereich.
Die Änderungen betreffen nur den Wellenlängenbereich von 400 nm bis 1400 nm (Netzhautbereich) und dort mit einer Ausnahme nur gepulste Quellen. Für den Wellenlängenbereich von ca. 1300 nm bis 1400 nm gibt es auch starke Erhöhungen für kontinuierliche Emission. Für gepulste Quellen wird in den meisten Fällen bei den entsprechenden Klassen eine höhere Ausgangleistung möglich sein, in seltenen Fällen bei Pulsdauern unter 18 µs kann es auch zu einer Erniedrigung kommen (bei Produkten mit geringen Pulsrepetitionsraten).
Neue Klasse 1C
Weitere Änderungen der Edition 3 beziehen sich auf die Einführung einer neuen Klasse, Klasse 1C, die Produkte für die Hautbehandlung (Medizinprodukte oder Kosmetikprodukte) betreffen, die nur in Kontakt mit der Haut oder mit Gewebe bei medizinischen intrakorporalen Anwendungen emittieren (C von 1C steht für Contact), für das Auge jedoch keine Emission über Klasse 1 zugänglich ist. Es ist zu betonen, dass ein Produkt nur dann als Klasse 1C klassifiziert werden darf, wenn es eine spezielle „vertikale“ Produktsicherheitsnorm gibt, in der einerseits die Anforderungen an die Sicherheitskontakte definiert sind, und andererseits sichergestellt wird, dass die Bestrahlung der Haut noch im Sinne der Anwendung als „sicher“ zu betrachten ist, was vor allem für Consumer Products wichtig ist (für chirurgische Klasse 1C Produkte ist keine Einschränkung notwendig). Eine entsprechende vertikale Norm für Consumer Products ist in der Normenserie IEC 60335 in Entwicklung.
Keine "Condition 2" mehr
Bei den Messbedingungen für die Bestimmung der zugänglichen Emission wurde die „Condition 2“ (die sogenannte „Lupenbedingung“) gänzlich abgeschafft – es war bereits durch das Interpretation Sheet I-SH1 für Ausgabe 2 nicht mehr notwendig, diese für ausgedehnte Quellen zu berücksichtigen. Dadurch ergibt sich eine entsprechende Vereinfachung der Messungen. Es steht aber vertikalen Normen, wie der IEC 60825-2 für Lichtwellenleiterkommunikationssystemen frei, für diese speziellen Produkte in der vertikalen Norm eine entsprechende Zusatzmessung vorzusehen.
Es sei erwähnt, dass auch für Condition 1 (Fernglasbedingung) eine Erleichterung eingeführt wurde: für Produkte, die nur für „indoor“ Anwendungen vorgesehen sind und bei denen nicht angenommen werden muss, dass eine Exposition mit Ferngläsern und ähnlichen Optiken vorkommt, ist es zulässig, dass Condition 1 (50 mm Blende in 2 m Entfernung bei der einfachen Analyse) für die Bestimmung der zugänglichen Strahlung nicht berücksichtigt wird, also die Klassifizierung nur auf Basis von Condition 3 (freies Auge) durchgeführt wird.
Symbole für Warnschilder
Für die Beschilderung der Lasergeräte können alternativ zu den bisherigen Schildern auch Piktogramme verwendet werden, was bezüglich der lokalen Sprachanforderungen entsprechend hilft.
Klassifizierung der Emission unter Lampennorm
Produkte, bei denen die Laserstrahlung konventionelle Lichtquellen ersetzt und deren Emission unter einer bestimmten Strahldichte-Grenze liegt, können bezüglich der Licht-Emission unter der Normenserie IEC 62471 klassifiziert werden. Dies sind z.B. mit blauer Laserstrahlung gepumpte Phosphorquellen (die weißes, inkohärentes Licht emittieren) sowie insbesondere Projektoren („Beamer“) wo konventionelle Lampen durch Laser-Lichtquellen ersetzt werden. Eine Emission mit diskreten Wellenlängen (rot-grün-blau) ist jedoch zulässig, solange es kein kollimierter Strahl ist, d.h. indirekt ist die Anforderung, dass der Grad der räumlichen Kohärenz gering sein muss durch die Anforderungen einer minimalen Quellgröße von 5 mrad gegeben. Für Projektoren gibt es seit Juni 2015 eine neue „vertikale“ Norm, IEC 62471-5, bzw. EN 62471-5. Die Produkte bleiben aber aufgrund der Laserquelle im Gehäuse im Anwendungsbereich der IEC 60825-1, so wie voll eingehauste CD-Player auch. Solche Produkte sind dann z.B. Klasse 1 Laserprodukte mit einer Emission, die nach IEC 62471-5 Risiko Gruppe 2 (RG2) oder Risiko Gruppe 1 (RG1) klassifiziert ist. Die genaueren Bedingungen unter denen der neue Abschnitt 4.4 der Lasernorm anwendbar ist, wurden in einem IEC „Interpretation Sheet“ ISH2 2017 geklärt.
Risikoanalyse
Die wichtige Rolle der Risikoanalyse in der Klassifizierung von Laserprodukten wurde in Ausgabe 3 verdeutlicht: wo sich bisher bezüglich die Bewertung, wann ein Fehler (der zu einer höheren zugänglichen Strahlung führen kann) „vernünftigerweise vorhersehbar“ war oder nicht, eher nur auf die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten des Fehlers bezogen hat, ist nun explizit angeführt, dass die entsprechende Wahrscheinlichkeits - Grenze für die Fehlerberücksichtigung vom Risiko für eine Schädigung im Fehlerfall abhängt. Dies ist ausführlich in unserem ILSC 2013 Paper „Risk analysis relevant for laser products“ diskutiert (siehe Download-Bereich).
Wenn man zeigen kann, dass das Risiko für eine Schädigung (z.B. der Netzhaut) für die Emission, die im Fehlerfall vorliegen kann, vernachlässigbar ist, dann ist auch die tolerierbare Eintritts-Wahrscheinlichkeit entsprechend höher (…um den Fehler als „nicht vernünftigerweise vorhersehbar“ einzustufen und somit für die Klassifizierung des Produktes nicht berücksichtigen zu müssen). Mit unserer langjährigen wissenschaftlichen Arbeit auf dem Gebiet der Schädigungsschwellwerte und unseren validierten Schädigungs- Computermodellen können wir Herstellern von Laserprodukten auch auf diesem Gebiet mit international anerkannter Expertise zur Verfügung stehen.
Informationen zu früheren Ausgaben
Edition 1.2, 2001
Im Jahr 2001 erfolgte eine wesentliche Erweiterung der internationalen Lasersicherheitsnorm IEC 60825-1.
Die wichtigsten Neuerungen betrafen die Einführung von drei neuen Laserklassen (Klassen 1M, 2M und 3R), eine verbesserte Definition der Messgeometrie sowie die Aktualisierung der Grenzwerte. Durch diese Änderungen wurde die Gefährdung durch komplexe Quellen genauer widergespiegelt und das Umsetzen gezielter Schutzmaßnahmen erleichtert. So konnten manche Laserprodukte, die bis dahin "überkritisch" klassifiziert wurden, in niedrigere Klassen eingestuft werden.
Obwohl die Norm im Grunde die Klassifizierung sowie technische Sicherheitsmaßnahmen am Gerät zum zentralen Inhalt hat, waren in der Fassung von 2001 (Edition 1) weiterhin Empfehlungen für Schutzmaßnahmen enthalten, die sich an den Anwender richten. Das Buch „Laser Safety“ von Roy Henderson & Karl Schulmeister bezieht sich auf diese Ausgabe der Norm, obwohl schon einige Änderungen der 2nd edition der Norm „vorbesprochen“ wurden, wie die Methode zur Bestimmung des thermisch effektiven Durchmessers alpha für unregelmäßige scheinbare Quellen;
Edition 2.0, 2007
Die Edition 2.0 der IEC 60825-1 wurde 2007 veröffentlicht.
Folgende Änderungen im Vergleich zur Edition 1.2 wurden vorgenommen:
- Anpassung einiger Grenzwerte
- LEDs wurden aus dem Anwendungsbereich der Norm herausgenommen. LEDs werden seitdem nach der Lampensicherheitsnorm IEC 62471 in Risikogruppen klassifiziert.
- Die Messgeometrie wurde abermals abgeändert. Waren früher fixe Messabstände vorgegeben, so muss nun für ausgedehnte Quellen der Worst-Case-Messabstand erst gefunden werden. Für kleine Quellen (C6 =1) vereinfachte sich aber dafür die Prüfung durch fixe Messabstände relativ zum Produkt (und nicht zur scheinbaren Quelle).
- Die Empfehlungen für Schutzmaßnahmen seitens des Anwenders wurden herausgenommen und in Form des Technischen Reports IEC TR 60825-14 als Teil der Normenserie 60825 zusammengefasst.
Es wurde für die 2nd Edition berücksichtigt, dass die sogenannte "scheinbare Quelle" eines Laserproduktes weder eine fixe Größe hat noch einem bestimmten Ort zugeordnet werden kann. Sowohl der Ort der scheinbaren Quelle wie auch die Ausdehnung der scheinbaren Quelle sind von jenem Ort abhängig, von dem aus die scheinbare Quelle bestimmt wird. Die "worst case position" ist daher nicht automatisch 10 cm von der Strahltaille entfernt, und die Strahltaille repräsentiert nicht zwangsweise die scheinbare Quelle.
Diese Erkenntnisse wurden in der IEC 60825-1 Ed 2.0 derart berücksichtigt, dass die Klassifizierung von Laserprodukten, deren Strahl sich als ausgedehnte Quelle darstellt, an der "most restrictive position" durchgeführt werden muss. Zusätzlich wurde auch das Verfahren zur Ermittlung des thermisch effektiven Durchmessers (oder der Winkelausdehnung) α für unregelmäßige Laserstrahlprofile festgelegt. Beide Änderungen beruhen zu einem Großteil auf Ergebnissen von Seibersdorfer Forschungsprojekten (siehe Literatur).